Man kann sagen, wie Achtsamkeitstraining hilft, das Auge/den Verstand klarer sehen zu lassen, was uns von Moment zu Moment entgegentritt, so kann Mitgefühlstraining helfen, das Herz für das Erscheinende zu öffnen, auch und gerade dann, wenn es etwas Schmerzhaftes ist. Auf dieser tieferen Ebene des „Sehens“ kann Mitgefühl eine heilende Wirkung haben, auch dann, wenn alles andere versagt.
In der Wissenschaft schält sich immer deutlicher heraus, dass sich die Art des „Selbst“, mit dem man sich identifiziert, auf das eigne Wohlbefinden und die sozialen Kontakte auswirkt: Personen, die sich selbst gegenüber mitfühlender waren, schienen in Beziehungen besser zurechtzukommen und berichteten von mehr Empathie, Altruismus, Perspektivübernahme und Bereitschaft zu verzeihen. Selbstmitgefühl scheint ein natürliches Heilmittel gegen die Tendenz zu sein, unangenehme Erfahrungen zu vermeiden.
Selbstmitgefühl wirkt sich heilend auf die Gesundheit aus. aus (W. Bartens, Empathie)
Das Mitgefühlstraining zielt vor allem darauf ab, einen fürsorglichen, liebevollen Umgang mit der Problematik zu entwickeln und nicht in erster Linie darauf, das Problem zu lösen oder eine Heilung zu bewirken.
Für die Übungspraxis ist es wichtig, Zeit und einen festen Ort einzuplanen. Es bedeutet nicht dass Sie sich einer eisernen Disziplin unterwerfen müssen, sondern auch hier gilt, einen liebevollen Umgang mit sich selbst zu pflegen. Wie beim Achtsamkeitstraining werden Ihnen auch hier weniger erfreuliche Erfahrungen und Hindernisse begegnen. Das ist nicht schlimm, sondern vielmehr ein wichtiges Element des Übungsprozesses. Wichtig ist allerdings die Bereitschaft, diese unangenehmen Erfahrungen auch zu erforschen und das mit Milde und Achtung vor Ihren Grenzen. Sollten Sie Veränderungen erwarten, legen Sie die Messlatte nicht zu hoch. Machen Sie sich bewusst, dass der Weg von Achtsamkeit und Mitgefühl mehr darauf angelegt ist, das Leben so anzunehmen, wie es nun einmal ist, und nicht so sehr auf einschneidende Veränderungen. Der Psychotherapeut Carl Rogers sagte einmal: „Das merkwürdige Paradoxon ist, dass ich mich ändere, wenn ich mich akzeptiere, wie ich bin… Wir können uns nicht ändern, wir können uns nicht von demjenigen wegbewegen, was wir sind, bis wir zutiefst akzeptieren, was wir sind. Dann ereignet sich fast unmerklich die Veränderung.“
Es wird in diesem Training von niemandem verlangt, sich selbst oder anderen gegenüber ein mitfühlende Haltung einzunehmen, wenn man sich dazu gerade nicht in der Lage fühlt. Mitgefühl beginnt in diesem Kurs immer damit, dass man lernt, seine aktuelle Erfahrung freundlich anzuschauen. Das ist bereits ein wichtiger Aspekt desjenigen, was wir Selbstmitgefühl nennen. Es kann durchaus sein, dass es in diesem Augenblick schon schwer fällt, mit Freundlichkeit und Akzeptanz auf die eigenen Ängste, die eigene Wut, Enttäuschung oder Selbstvorwürfe zu schauen. Dann beginnt die Übung des Mitgefühls also hier, bei diesem Leiden. Leben bedeutet halt auch Schmerz. Das ist vielleicht nicht erfreulich, aber wir entgehen dem auch nicht, indem wir es leugnen oder dagegen aufbegehren. Dies würde nur noch mehr Schmerz und Leid verursachen. Weil eben Schmerz und Leid manchmal unvermeidbar sind, brauchen wir Mitgefühl und Freundlichkeit, aber auch Mut. Und zwar den Mut, dem eigenen Schmerz ins Auge zu sehen und Verantwortung für das zu übernehmen, was doch die eigene Entscheidung ist: wie man damit umgeht!!
Viele alte Weisheitslehren und spirituelle Traditionen bezeichnen das Mitgefühl als den Weg zum Glück. Die Evolutionswissenschaft bestätigt dies und weist darauf hin dass eine lange Evolutionsgeschichte hinter der Fähigkeit steckt, Zuwendung und Fürsorglichkeit zu zeigen, wenn wir mit Leid oder Verletzlichkeit konfrontiert werden.